Körperliche Erkrankungen mit psychischen Begleit- und Folgeerscheinungen insbesondere bei Diabetes

Hierunter werden durch schwerwiegende Erkrankungen ausgelöste psychische Belastungen verstanden, bspw. bei der Diagnose oder Behandlung von Diabetes oder Krebserkrankungen.


Unser Leitungsteam

Dr. Andrea Benecke
Leiterin der Ausbildungsambulanz der Poliklinischen Institutsambulanz für Psychotherapie 

Dipl.-Psych. Susanne Baulig
Leitung Schwerpunkt Psychodiabetologie

Kontakt
Dipl.-Psych. Susanne Baulig
Poliklinische Institutsambulanz
E-Mail: subaulig@uni-mainz.de
Tel.: 06131/39 39201 
Fax: 06131/39 39102


Beispiele von psychischen Erkrankungen, die in unserem Schwerpunkt behandelt werden

Depression

In dem Leben der meisten Menschen kommen Momente vor, in
denen man sich traurig, einsam, energielos und niedergeschlagen fühlt. Solche
Gemütszustände gehören zu den normalen Hochs und Tiefs des Lebens. Sie sind
eine normale und gesunde Art auf negative Erfahrungen, Verluste, Enttäuschungen
oder Belastungen zu reagieren. Ähnlich wie der Schmerz eine Art Warnung vor
Gefahren darstellt, sind Phasen der Traurigkeit und Niedergeschlagenheit
wichtig, um bestimmte negative Erfahrungen zu verarbeiten und sich neu zu
orientieren. Erst wenn dieser Zustand über mehrere Wochen oder Monate anhält,
spricht man von einer Depression. Depressionen gehen wie kaum eine andere
Erkrankung mit hohem Leidensdruck einher, da diese Erkrankung ins Zentrum des
Wohlbefindens und der Lebensqualität zielt.

Depressionen können jeden treffen. In Deutschland leiden
etwa 5% aller Menschen (ca. 4 Millionen) an einer behandlungsbedürftigen
Depression. Im Zusammenhang mit Diabetes ist das Risiko ungefähr doppelt so
hoch, zugleich an einer Depression zu erkranken. Mindestens jeder 10. Diabetiker
ist aktuell davon betroffen. Untersuchungen zeigen, dass das Auftreten einer
Depression häufig mit einer schlechteren Stoffwechseleinstellung, mehr
Diabeteskomplikationen und erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung des
Diabetesmanagements. Besonders bei Menschen mit Folgeerkrankungen ist die
Depressionsrate erhöht. Hierdurch leidet die Lebensqualität betroffener Person
erheblich.

Was viele Menschen nicht wissen: Mit der richtigen Therapieform können rund 80% der Erkrankten erfolgreich behandelt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine frühzeitige Diagnosestellung, die richtige Therapie und die Bereitschaft des Patienten, sich auf die Behandlung einzulassen.

Woran erkennt man eine Depression?

Im Folgenden sind einige Anzeichen aufgeführt, die auf eine Depression schließen lassen. Depressionen können sich jedoch auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise äußern. Es müssen nicht alle Anzeichen erfüllt sein, um an einer Depression erkrankt zu sein. 

Ein Gefühl der tiefen Niedergeschlagenheit, Mut- und Hoffnungslosigkeit. Viele Betroffene berichten von einer Verzweiflung und einem „Gefühl der Gefühllosigkeit“. Das Erleben ist völlig verändert.

An einer Depression Erkrankte können sich häufig zu nichts entschließen. Sie wägen alles ab, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Selbst einfache Verrichtungen machen große Mühe. Schwierige Dinge werden aufgeschoben und nicht angepackt.

Schwierigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren oder sich in komplizierte Sachverhalte einzudenken. Viele Betroffen berichten, dass es Ihnen schwerfällt, sich von einigen Gedanken zu lösen, über die sie immer wieder grübeln, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Dadurch können sie sich auf andere Dinge nur schwer konzentrieren.

Oft quält depressive Menschen ein Gefühl, an der Erkrankung selbst schuld zu sein. Im Vergleich zu anderen Menschen fühlen sie sich zudem oft als minderwertiger.

Dinge, die früher Spaß gemacht haben, werden kaum noch gemacht. Viele Patienten ziehen sich zurück, vermeiden soziale Kontakte und verbringen viel Zeit im Bett oder auf der Couch.

Das Erleben von Gefühlen ist stark eingeschränkt. Dies zeigt sich besonders in Situationen, die normalerweise mit starken Gefühlen verbunden sind wie Glücksmomente, ein Unfall oder andere schlimme Ereignisse.

Depressionen werden sehr häufig von Ängsten begleitet. Dies ist verständlich, da depressive Menschen in dieser Phase viel grübeln, sich Sorgen machen und kein ausgeprägtes Selbstbewusstsein besitzen.

Ein gestörter Schlaf ist ein typisches Merkmal einer Depression. Dies kann dazu führen, dass depressive Menschen trotz Müdigkeit lange wach liegen und nicht tief schlafen. Andere wachen oft auf und können vor lauter Grübeln schlecht erneut einschlafen. Wieder andere leiden unter einem stark erhöhten Schlafbedürfnis und schlafen wesentlich länger, ohne jedoch dadurch erholt zu sein. Oft erwachen depressive Menschen zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit.

Das Essen macht keinen Spaß und es wird oft nur aus Pflichtbewusstsein gegessen, um nicht abzunehmen. Häufig nehmen Menschen in einer depressiven Phase ab. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. Kummerspeck sagt der Volksmund zu solchermaßen angegessenen Pfunden.

Der mangelnde Antrieb zeigt sich häufig auch im Sexualleben. Dies ist oft reduziert und wird als nicht mehr so wichtig und leidenschaftlich erlebt.

Eine Depression kann sich auch in einer Reihe körperlicher Anzeichen widerspiegeln, für die der Arzt keine somatische Ursache findet. Betroffene klagen über Schmerzen, Beschwerden und Überempfindlichkeit. Dabei können alle Körperteile und Organe betroffen sein.

Machen Sie den Selbsttest

Die Aussagen dieses Selbsttests betreffen Ihr Wohlbefinden in den
letzten zwei Wochen. Bitte markieren Sie bei jeder Aussage die Rubrik,
die Ihrer Meinung nach am besten beschreibt, wie Sie sich in den letzten
zwei Wochen gefühlt haben.

Auswertung: Ihr Punktwert kommt durch einfaches Zusammenzählen der einzelnen Antwortpunkte zustande. Bei einem Gesamtpunktwert unter 13 Punkten kann eine behandlungsbedürftige Depression nicht ausgeschlossen werden. Hier kann eine Psychotherapie sinnvoll sein. Dies können wir gerne im Gespräch mit Ihnen klären.


Angststörungen

Angst ist eine völlig natürliche und – ähnlich dem Schmerz – evolutionär sinnvolle Reaktion auf das Empfinden einer Bedrohung. Angststörungen bzw. unterschwellige Ängste im Zusammenhang mit der Diabetesbehandlung können die Ursache für eine schlechte Stoffwechseleinstellung sein. Angststörungen im Sinne einer übertriebenen und häufig oder dauernd auftretenden Angst sind bei Diabetikern im Allgemeinen nicht häufiger als bei der sonstigen Bevölkerung. Bestehen bei Menschen mit Diabetes Angststörungen, haben sie teilweise einen engen Bezug zu der Krankheit. Ängste vor Folgeerkrankungen und Unterzuckerungen (Hypoglykämien) stellen die beiden stärksten krankheitsspezifischen Belastungen im Zusammenhang mit der Diabetestherapie dar.

Ängste vor Hypoglykämien

Typisch für Patienten mit einer Angst vor
Hypoglykämie ist eine schlechte Blutzuckereinstellung, d.h. sie versuchen sich
durch zu hohe Blutzuckerwerte vor Unterzuckerungen zu schützen. Hypoglykämieängste erschweren daher in der Regel eine
normnahe Blutzuckereinstellung erheblich. Einige Patienten zeigen in der
Folge ein Vermeidungsverhalten, d.h. sie verlassen aus Angst vor einer
Unterzuckerung nicht mehr allein das Haus oder meiden bestimmte Orte und
Aktivitäten. Tritt zusätzlich eine ängstliche Anspannung bzw. Erwartung auf,
spricht man von Erwartungsangst. Damit wären im klinischen Sinne die typischen
Merkmale einer Angststörung erfüllt, die dann auch eine entsprechende
Aufklärung und Behandlung erfordert.

Andere
Patientinnen entwickeln sogenannte dependente Verhaltensmuster, d.h. sie
klammern sich an einen Partner oder die Eltern, da sie sich mit der
Diabetes-Therapie oder möglichen Unterzuckerungen überfordert fühlen. Dies kann
zu erheblichen Belastungen in der Partnerschaft beitragen.

Ängste
können somit zu Einschränkungen in den verschiedensten Lebensbereichen und
einer erheblich reduzierten Lebensqualität führen.

Mit
speziellen verhaltenstherapeutischen Verfahren kann eine effektive Verbesserung
dieser Situation erzielt werden. Ziele der Behandlung sind eine Verringerung
der Angst vor Hypoglykämien, eine Optimierung des persönlichen Umgangs mit
Hypoglykämien sowie eine Bewältigung von angstauslösenden Situationen.

Ängste vor Folgeerkrankungen

Angst
ist eine normale Gefühlsreaktion auf Gefahren, die man schwer
abschätzen kann und von denen man nicht weiß, wie man sie vermeiden oder sich
gegen sie wehren kann. Die Entwicklung von Folgeerkrankungen stellt ein reales
Risiko bei einer langen Diabeteserkrankung dar. Insofern ist Angst vor
Folgeerkrankungen ein normaler Vorgang. Man weiß zwar, dass man durch eine gute
Diabetestherapie die Risiken mindern kann, aber einen sicheren Erfolg kann
einem niemand garantieren. Die Angst wird bei chronischen Erkrankungen nicht
von jedem Menschen gleich empfunden. Die meisten sagen, im Hintergrund sei sie
stets vorhanden. In bestimmten Situationen tritt sie eine Zeit lang mehr in den
Vordergrund (z. B vor der Routinekontrolle beim Augenarzt) und nimmt dann von
allein wieder ab. Diese ist eine Form der gesunden Angst.

Viele Menschen mit Diabetes fühlen sich jedoch von Folgeerkrankungen massiv bedroht. Sie reagieren ganz unterschiedlich auf diese Bedrohung. Einige sind ständig um ihre Blutzuckerwerte und um eine gute Stoffwechsellage besorgt. Sie schränken sich wegen des Diabetes stark ein. Andere wiederum resignieren sogar. Für sie stellen die Ängste vor Folgeerkrankungen eine große Belastung und eine Einschränkung ihrer Lebensqualität dar. Wenn diese Angst zu stark und dauerhaft wird, dass sie das Leben bestimmt und einschränkt, sollten sie sich psychotherapeutische Hilfe suchen. Mit speziellen verhaltenstherapeutischen Verfahren kann eine effektive Verbesserung dieser Situation erzielt werden.


Essstörungen

Essstörungen stellen neben den
Depressionen und Angststörungen die wichtigsten psychischen Krankheiten bei
Patienten mit Diabetes mellitus dar. Neben den klassischen Essstörungen
Anorexia nervosa (Magersucht) und Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) ist v. a.
die so genannte „Binge-Eating-Störung“ (Heißhungerattacken ohne gegensteuernde
Maßnahmen wie Erbrechen etc.) von Bedeutung. Im Hinblick auf die Stoffwechseleinstellung
können alle Formen gestörten Essverhaltens einen negativen Effekt haben.

Die Anorexia nervosa ist eine
seltene Erkrankung und tritt bei Diabetikern nicht häufiger als bei
Stoffwechselgesunden auf. Bei der Bulimia nervosa ist in den letzten
Jahrzehnten eine deutliche Zunahme zu beobachten, ca. 3 bis 6% junger Frauen
mit Diabetes leiden an dieser Essstörung. Mindestens 90% aller Diabetiker mit
einer Anorexia oder Bulimia nervosa sind Frauen. Junge Frauen mit Diabetes und
einer Anorexia oder Bulimia nervosa nehmen nicht selten bewusst
Insulinreduktionen vor, um mittels der nachfolgenden Ausscheidung des Zuckers
über die Nieren Kilokalorien bzw. Gewicht zu verlieren. Dieses
„Insulin-Purging“ kann auf Dauer zu erheblichen Folgeschäden führen.

Die Binge-Eating-Störung ist insbesondere für Typ-2-Diabetiker von Bedeutung, da sie in der Regel mit Übergewicht und Adipositas einhergeht. Der Anteil an erkrankten Männern beträgt hier mindestens 30%. Bei jungen Mädchen mit Diabetes mellitus liegt im Vergleich zu stoffwechselgesunden Gleichaltrigen häufiger ein gestörtes Essverhalten vor, das zwar nicht alle Kriterien (z.B. einer bulimischen Essstörung) erfüllt, welches aber (z.B. durch Heißhungerattacken) ein erhöhtes Risiko für eine Entgleisung des Stoffwechsels und die Entwicklung von diabetischen Spätschäden beinhaltet. Auch hier kann man mit erprobten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen die Essstörung behandeln. Es wird dabei immer auch auf die Auswirkungen jedes Verhaltens auf den Diabetes geachtet.


Krankheitsakzeptanz

Viele Menschen mit Diabetes
leiden auch noch Jahre nach der Diabetesmanifestation massiv unter ihrer
Erkrankung. Dies kann dazu führen, dass man sich mit dem Diabetes nicht
arrangieren kann oder will und/oder auch nach Jahren noch sehr damit hadert, an
Diabetes erkrankt zu sein. Häufigste Auswirkung dieses Problems ist die
Vernachlässigung der Diabetestherapie oder deren Erleben als große Belastung.
Es fehlt eine aktive Auseinandersetzung mit der chronischen Erkrankung. Gelingt
es nicht, den Diabetes in das Leben zu integrieren, wird eine normnahe
Blutzuckereinstellung in der Regel erheblich erschwert und die Lebensqualität
des Patienten ist stark beeinträchtigt. Tagtäglich sich um den Diabetes zu
bemühen kann schon einmal eintönig, nervig und belastend werden, wie alles, was
wir tagein, tagaus immer wieder tun. Wichtig ist daher, sich immer wieder neu
zu motivieren. Das ist das Erfolgsrezept von allen Menschen, die
Höchstleistungen erbringen, für die tägliches Üben und Trainieren notwendig
ist.

Ziele
einer psychotherapeutischen Behandlung sind eine Verbesserung des Umgangs mit
dem Diabetes sowie eine Verbesserung der Integration des Diabetes in das
individuelle Lebenskonzept. Weiterhin soll eine Auseinandersetzung mit der
Tatsache, mit dem Diabetes leben zu müssen und den Konsequenzen für das eigene
Leben erfolgen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung einer positiveren
Einstellung zum Diabetes sowie einer „alltagstauglichen“ Behandlung. Insgesamt
geht es um die Stärkung des Selbstwertgefühls als Diabetiker.

Machen Sie den Selbsttest

Welche der folgenden Bereiche Ihres Diabetes bzw. Ihrer
Diabetesbehandlung sind derzeit ein Problem für Sie? Kreuzen Sie bitte
bei jeder Antwort die Zahl an, die am ehesten für Sie zutrifft.

Auswertung: Ihr Punktwert kommt durch einfaches
Zusammenzählen der einzelnen Antwortpunkte zustande. Bei einem
Gesamtpunktwert von mehr als 39 Punkten liegt der Verdacht auf eine
klinisch bedeutsame depressive Verstimmung nahe. Natürlich kann ein
hoher Punktwert die hohe Belastung durch die Anforderungen des Diabetes
widerspiegeln. Hier kann eine Psychotherapie sinnvoll sein. Dies können
wir gerne im Gespräch mit Ihnen klären.


Behandlung / Einzeltherapie

Die Behandlung wird durch approbierte Psychologische Psychotherapeuten und Therapeuten im letzten Teil ihrer Ausbildung durchgeführt. Es findet eine engmaschige Supervision durch eine Psychodiabetologin/Fachpsychologin Diabetes (DDG) statt.